Fassen wir noch einmal zusammen, wie das Universum kurz nach dem Ende der extremen inflationären Aufblähung aussieht:
Die Gravitation ist eine eigenständige Kraft, die durch Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie beschrieben werden kann, da Quanteneffekte für sie nicht mehr wichtig sind. Ebenso hat sich die starke Wechselwirkung als eigenständige Kraft gerade frisch etabliert. Entsprechend enthält das extrem dichte und überall fast gleichmäßig heiße Teilchengemisch, das das Universum ausfüllt, die Teilchen der starken Wechselwirkung: Quarks, Antiquarks und Gluonen. Noch ist das Teilchengemisch so heiß und dicht, dass sich die Quarks nicht zu Hadronen wie Protonen und Neutronen zusammenfinden können. Die elektromagnetische und schwache Wechselwirkung sind noch in der elektroschwachen Wechselwirkung vereint. Weiterhin gibt es in dem Teilchengemisch die Teilchen der dunklen Materie, deren wahre Natur wir heute noch nicht kennen. Ein Kandidat für diese dunklen Teilchen wäre das hypothetische leichteste supersymmetrische Teilchen, nach dem man heute intensiv an den großen Teilchenbeschleunigern sucht.
In dem heißen Teilchengemisch wandeln sich die verschiedenen Teilchen ständig ineinander um: Aus Energie (z.B. Photonen) entstehen Teilchen-Antiteilchenpaare, und Teilchen und Antiteilchen vernichten sich auch wieder unter Aussendung von Energie. Insgesamt muss jedoch dabei ein kleiner Überschuss von Teilchen gegenüber Antiteilchen entstanden sein, denn sonst hätten sich Teilchen und Antiteilchen bis heute vollständig vernichtet, und es gäbe keine Materie, wie wir sie kennen.
Etwa 10−12 Sekunden nach dem Urknall ist die Temperatur auf etwa 1015 Kelvin gefallen (das ist immer noch etwa 100 Millionen mal heißer als im Inneren der Sonne). Unterhalb dieser Temperatur spaltet sich die elektroschwache Wechselwirkung in die elektromagnetische und die schwache Wechselwirkung auf.
Da die Temperatur weiterhin durch die Expansion stark abfällt und sich das dichte Teilchenplasma weiter verdünnt, macht sich die starke Wechselwirkung zwischen den Quarks immer mehr bemerkbar. Bei etwa 10−6 Sekunden nach dem Urknall ist die Temperatur mit etwa 1013 Kelvin schließlich so niedrig, dass die starke Wechselwirkung die Quarks zu sogenannten Hadronen vereint. Die meisten dieser Hadronen sind jedoch instabil und zerfallen sehr schnell, so dass schließlich nur die stabilen Protonen und die fast stabilen Neutronen übrig bleiben. Zwar zerfallen auch die Neutronen mit der Zeit, doch dieser Zerfall verläuft so langsam, dass er erst später wichtig wird. Die Halbwertszeit von freien Neutronen beträgt etwa 10 Minuten, d.h. nach jeweils 10 Minuten ist im Durchschnitt die Hälfte der vorhandenen Neutronen zerfallen.
Das Teilchenplasma besteht nach der Entstehung der Protonen und Neutronen nun im Wesentlichen aus folgenden Teilchen:
Anfangs sind Temperatur und Dichte im Teilchenplasma noch so hoch, dass sich fast alle Teilche im thermischen Gleichgewicht befinden. Sie tauschen also ständig Energie miteinander aus, wandeln sich ineinander um und haben vergleichbare Teilchenenergien. Lediglich die Teilchen der dunklen Materie kümmern sich so wenig um die anderen Teilchen, dass sie sich bereits abgekoppelt haben und ein Eigenleben führen. Sie fliegen daher praktisch unbehelligt durch den Raum und bemerken nur von der Gravitation etwas.
In diesem noch sehr heißen und dichten Stadium sind die leichten Teilchen am häufigsten, denn sie können massenweise aus der vorhandenen Energie gebildet werden. Der Hauptbeitrag der Energiedichte im Universum liegt daher zunächst bei den Neutrinos, Photonen, Elektronen und Positronen. Wir erinnern uns: je heißer es ist, umso mehr Photonen gibt es.
Wenige Sekundenbruchteile später, etwa 10−4 Sekunden nach dem Urknall, beträgt die Temperatur nur noch etwa 1012 Kelvin. Die Teilchenenergie reicht damit nicht mehr aus, um Paare aus Protonen und Antiprotonen bzw. Neutronen und Antineutronen zu bilden. Die vorhandenen Paare vernichten sich gegenseitig und wandeln sich in Energie (z.B. Photonen) um, wobei der winzige Teilchenüberschuss von etwa einem Milliardstel übrig bleibt. Noch ist die Temperatur allerdings hoch genug, so dass sich Protonen und Neutronen ineinander umwandeln können.
Etwa eine Sekunde nach dem Urknall sinkt die Temperatur des Universums unter 10 Milliarden Kelvin. Dichte und Temperatur sind dann soweit abgesunken, dass sich der flüchtige Charakter der Neutrinos bemerkbar macht. Sie entkoppeln wie zuvor bereits die Teilchen der dunklen Materie und durchqueren seitdem weitgehend ungehindert das Universum. Auch heute noch gibt es sie -- allerdings hat ihre Energie analog zur Energie der kosmischen Hintergrundstrahlung aufgrund der Expansion des Raumes seit damals enorm abgenommen. Die Neutrinotemperatur beträgt heute nur noch etwa 1,9 Kelvin, und die heutige Neutrinodichte beträgt circa 113 Neutrinos pro Kubikzentimeter pro Neutrinosorte (es gibt drei Sorten: Elektron-, Myon- und Tau-Neutrinos).
Unterhalb von etwa 8 Milliarden Kelvin reichen Energie und Dichte nicht mehr für die Umwandlung von Protonen in Neutronen und umgekehrt aus. Die Umwandlung stoppt und das Verhältnis der Protonen- zur Neutronendichte ändert sich nur noch langsam aufgrund des Zerfalls der Neutronen (die Halbwertszeit dafür war etwa 10 Minuten).
Ein wenig später, als die Temperatur nur noch 5 Milliarden Kelvin beträgt, passiert mit den Elektronen und Positronen dasselbe, was zuvor mit Protonen und Antiprotonen sowie Neutronen und Antineutronen geschah: Sie vernichten sich gegenseitig, und ein winziger Elektronen-Überschuss bleibt übrig. Die bei dieser Vernichtung frei werdende Energie heizt das Teilchengemisch auf, wobei allerdings die bereits entkoppelten Neutrinos (und natürlich die dunkle Materie) davon nichts mehr mitbekommen. Daher findet man heute, dass die Temperatur der kosmischen Hintergrundstrahlung mit 2,7 Kelvin etwa um den Faktor 1,4 größer ist als die Temperatur der zuvor entkoppelten Neutrinos (etwa 1,9 Kelvin).
Warum kühlt sich das Universum überhaupt ab, wenn es sich ausdehnt? Man kann dies am besten verstehen, wenn man sich statt des dreidimensionalen Universums wieder die zweidimensionale Ballonoberfläche vorstellt. Während der inflationären Expansion in den ersten Sekundenbruchteilen verdoppelte dieser Ballon seinen Durchmesser noch etwa alle 10−37 Sekunden. Nach dem Ende der Inflation dagegen wächst sein Radius mit gleichmäßiger Geschwindigkeit an, leicht abgebremst durch die anziehende Gravitationswirkung der Materie (und heute offenbar wieder leicht beschleunigt aufgrund der geheimnisvollen dunklen Energie). Der Abstand zwischen zwei Objekten auf der Oberfläche wächst dabei umso schneller, je größer er bereits ist. Genau das sehen wir auch heute noch in unserem Universum:
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Das Ballon-Bild gibt dieses Expansionsgesetz sehr schön wieder, wobei man die Entfernung entlang der Ballonoberfläche messen muss (das Universum entspricht ja der Oberfläche, während das Balloninnere ignoriert werden muss).
Häufig wird die Entfernungszunahme auch als Fluchtgeschwindigkeit bezeichnet.
Das ist jedoch irreführend, denn die Galaxien bewegen sich nach kosmologischen Entfernungsmaßstäben
nur sehr langsam im Raum.
Der Raum zwischen ihnen dehnt sich aus, genauso wie bei einem Ballon, den man aufbläst
(siehe dazu z.B. Charles H. Lineweaver, Tamara M. Davis:
Der Urknall - Mythos und Wahrheit, Spektrum der Wissenschaft, Mai 2005).
Dabei kann man den Begriff bewegen sich sehr langsam im Raum
präzise durch die elektromagnetische Strahlung im Universum
(heute die kosmische Hintergrundstrahlung) definieren, denn diese liefert ein allgemeines
Bezugssystem für Bewegungen.
Was geschieht nun mit Licht auf seiner Reise durch den Raum? Licht hat Wellencharakter, daher können wir uns Licht als kleine Wellen auf der Ballonoberfläche vorstellen. Wenn wir nun den Ballon aufblasen, so vergrößern sich dabei die Abstände zwischen den Wellenbergen. Genauso ist es mit Licht in unserem Universum: Je länger es unterwegs ist, ums mehr wird seine Wellenlänge vergrößert, da der Raum sich ständig ausdehnt. Manchmal interpretiert man dies als Dopplereffekt aufgrund der scheinbaren Fluchtbewegung der Objekte voneinander, aber auch das ist irreführend. Es ist die Ausdehnung des Raumes selbst, die zur Vergrößerung der Wellenlänge führt.
Wenn sich bei Licht die Wellenlänge vergrößert, verschieben sich die Farben in den roten Bereich. Man spricht daher von der Rotverschiebung. Im Universum bewirkt die Expansion und die dadurch verursachte Rotverschiebung bei elektromagnetischer Wärmestrahlung, dass sich eine Wärmestrahlung ergibt, wie sie bei einer niedrigeren Temperatur herrscht. Mit anderen Worten: die Wärmestrahlung kühlt ab. Ähnlich kann man auch bei Neutrinos argumentieren.
Literatur zu dem Thema:
last modified on 18 February 2012