In den Jahrtausenden nach dem Urknall dehnt sich das Universum ständig weiter aus. Dabei kühlt das darin gleichmäßig verteilte Plasma aus Protonen (Wasserstoffkernen), Heliumkernen, Elektronen und Strahlung (Photonen) sowie die davon entkoppelte dunkle Materie und die Neutrinos ständig weiter ab, sodass einige zehntausend Jahre nach dem Urknall die Energiedichte der Strahlung unter die der sonstigen Materie sinkt. Für die nächsten Jahrmilliarden ist daher die nichtrelativistische Materie aus Atomkernen, Elektronen und die dunkle Materie die dominierende Materieform im Universum, wobei die dunkle Materie etwa 5/6 und die Atomkerne und Elektronen etwa 1/6 ausmachen. Die Neutrinos können wir vernachlässigen, da ihre Energiedichte analog zu der Dichte der Photonen-Wärmestrahlung schnell mit der Zeit abnimmt. Auch die sogenannte dunkle Energie (eine vermutete Energiedichte des leeren Raumes mit negativem Druck) brauchen wir in dieser frühen Phase des Universums noch nicht zu beachten.
Etwa 380 000 Jahre nach dem Urknall unterschreitet die Temperatur schließlich die Grenze von 3000 Kelvin, sodass die elektrische Anziehungskraft zwischen Atomkernen und Elektronen ausreicht, um stabile Atome entstehen zu lassen. So bildet sich aus einem Proton und einem Elektron ein Wasserstoffatom, aus einem Heliumkern und zwei Elektronen ein Heliumatom usw..
Vor der Bildung der Atome ist das heiße dünne Plasma für Licht praktisch undurchsichtig. Das liegt daran, dass die elektrisch geladenen Atomkerne und Elektronen sich noch relativ frei im Raum bewegen können. Daher wechselwirken sie intensiv mit der elektromagnetischen Wärmestrahlung (den Photonen), die das heiße Plasma durchdringt. Photonen werden an den geladenen Teilchen abgelenkt, erzeugt und vernichtet. Man kann sich daher das Plasma wie einen dünnen heißen Nebel vorstellen, der in gelblichem Licht (entsprechend 3000 Kelvin) glüht und leuchtet.
Das ändert sich, sobald sich Elektronen und Atomkerne zu neutralen Atomen vereinen. Diese sind für Licht dieser Wellenlängen praktisch durchsichtig wie Luft. Der Nebel lichtet sich und die orange-rötliche Wärmestrahlung kann sich ungehindert durch den Raum ausbreiten. Genau das tut sie bis heute! Unser Universum ist mit der Wärmestrahlung angefüllt, die seit der Bildung der Atome das Universum durchquert. Allerdings ist diese Wärmestrahlung mittlerweile aufgrund der Expansion des Raumes von 3000 Kelvin auf 2,7 Kelvin abgekühlt. Eine elektromagnetische Wärmestrahlung bei dieser geringen Temperatur hat ihre Wellenlängen nicht mehr im Bereich sichtbaren Lichts, sondern im Bereich von Mikrowellen. Sie kann daher nicht mehr von unserem Auge wahrgenommen werden, sondern nur von geeigneten Antennen. Und genau so ist sie auch per Zufall im Jahr 1964 von Penzias und Wilson entdeckt worden, als diese nach der Ursache für ein hartnäckiges Störsignal in ihrem Antennenaufbau suchten.
Wenn wir heute mit einem geeigneten Instrument eine scheinbar leere Stelle am Nachthimmel betrachten,
so können wir die abgekühlte Wärmestrahlung empfangen, die von dem 3000 Kelvin heißen Plasma während
der Rekombinationsphase vor etwa 13,7 Milliarden Jahren an dieser Stelle ausgesandt wurde.
Tatsächlich sehen wir am Himmel also das heiße Plasma, wie es knapp 400 000 Jahre nach dem Urknall
das Universum füllte. Diese kosmische Hintergrundstrahlung (so nennt man diese Wärmestrahlung)
liefert also gleichsam einen Schnappschuss des noch sehr jungen Universums!
Der Raum hat sich seit der Entstehung der kosmischen Hintergrundstrahlung um
gut das Tausendfache ausgedehnt.
Bei der Ausdehnung des Raumes verdünnen sich die Photonen, und ihre Wellenlänge vergrößert sich. Aus Kapitel 1.5 wissen wir, dass daher die Temperatur der Wärmestrahlung umgekehrt proportional zur Raumausdehnung abnimmt. Also muss sich ihre Temperatur seit ihrer Entstehung um gut das Tausendfache verringert haben. So sind aus den knapp 3000 Kelvin die nur noch 2,7 Kelvin geworden, die wir heute am Himmel beobachten. Man sieht, wie gut alles zusammenpasst!
Die kosmische Hintergrundstrahlung ist eine fast perfekte Wärmestrahlung, allerdings mit einer sehr niedrigen Temperatur. Sie ist eine idealere Wärmestrahlung als alles, was wir im Labor z.B. in einem gleichmäßig warmen Ofen erzeugen können. Jeder Punkt am Himmel weist also (wenn wir Störeinflüsse wie Sternenlicht weglassen) sehr genau dieselbe Temperatur von etwa 2,73 Kelvin auf.
Diese Gleichmäßigkeit der Temperatur deutet auf eine entsprechende Gleichmäßigkeit der Plasmadichte hin, denn verdichtete Plasmastellen hätten eine höhere Temperatur. Wenn jedoch die Dichte der Materie keine Unregelmäßigkeiten aufweist, wie konnte dann die Gravitation die Materie später zu Sternen und Galaxien zusammenziehen? Das kann sie nämlich nur, wenn es Ungleichmäßigkeiten in der Materieverteilung gibt, so dass sich dichtere Stellen aufgrund ihrer Gravitationsanziehung weiter verdichten können. Da wir aber Sterne und Galaxien beobachten, müssen wir davon ausgehen, dass die Materie und damit die kosmische Hintergrundstrahlung nicht absolut gleichmäßig verteilt sein können. Es muss kleine Unregelmäßigkeiten geben!
Erst seit ungefähr dem Jahr 1990 ist es gelungen, diese Unregelmäßigkeiten allmählich aufzuspüren und immer detaillierter zu vermessen. Das folgende Bild, das zugleich das Titelbild dieses Buches ist, zeigt diese winzigen Schwankungen in der Temperatur am gesamten Himmel, wenn man Störeinflüsse herausrechnet:
An den roten Stellen liegt die Temperatur um etwa ein Hunderttausendstel
über dem Mittelwert, an den blauen Stellen
entsprechend darunter. Man kann sich vorstellen, dass es nicht einfach ist,
solche sehr kleinen Schwankungen überhaupt zu messen.
Räumlich sind die Abweichungen am Himmel so verteilt, dass die größten Unterschiede etwa ein Grad Abstand am Himmel haben -- das ist ungefähr doppelt so groß wie der scheinbare Monddurchmesser.
Aus der Größe und der räumlichen Verteilung der Temperaturabweichungen am Himmel kann man sehr viele Rückschlüsse auf das Universum ziehen.
Ihre Ursache haben die geringen Schwankungen der Plasmadichte vermutlich in mikroskopischen Quantenfluktuationen des Inflatonfeldes, die durch die inflationäre Expansion gewaltig aufgebläht wurden und beim Zerfall des Inflatonfeldes zu Schwankungen in der daraus entstehenden Materie wurden.
Die Gravitation versucht nun, bei den entstandenen Dichteschwankungen die dichteren Stellen weiter zu verdichten. Bei Neutrinos und Photonen hat sie dabei keinen Erfolg, denn diese bewegen sich dafür viel zu schnell. Bei den vermuteten recht schweren Teilchen der dunklen Materie hat die Gravitation funktioniert es dagegen, da sie sich bereits von der anderen Materie und den Photonen abgekoppelt haben und so nicht von den Photonen immer wieder auseinandergetrieben werden. Die dunkle Materie sollte sich also im Lauf der Zeit unter dem Einfluss der Gravitation zu dichteren Wolken zusammenballen. Dies wird später bei der Entstehung von Sternen und Galaxien noch wichtig werden, denn die dichteren Wolken aus dunkler Materie können dann als Schwerkraftzentren für die übrige Materie dienen.
In den ersten Jahrtausenden nach dem Urknall ist es noch viel zu heiß, als dass sich das Plasma aus Atomkernen, Elektronen und Photonen unter dem Einfluss der Gravitation bleibend verdichten könnte. Der enorme Strahlungsdruck der intensiven elektromagnetischen Wärmestrahlung steht dem entgegen. Dies ändert sich erst, wenn 400 000 Jahre nach dem Urknall aus den geladenen Teilchen elektrisch neutrale Atome entstehen, die nicht mehr von der Wärmestrahlung beeinflusst werden. Es kommt also zu einem Wechselspiel von Gravitation und Strahlungsdruck im heißen Plasma, das zu Schwingungen im Plasma führt. Wie bei der Wasseroberfläche überlagern sich alle diese Schwingungen verschiedener Wellengrößen zu einem Gesamtbild und ergeben so die Unregelmäßigkeiten in der kosmischen Hintergrundstrahlung.
Mithilfe mathematischer Verfahren (Fourieranalyse) kann man aus diesem Gesamtbild den Einfluss der verschiedenen Dichte- und Temperaturschwingungen herausfiltern. Man kann ermitteln, welchen Beitrag die verschieden großen und verschieden schnellen Schwingungen haben müssen, um das beobachtete Gesamtbild zu ergeben. Hier ist das Resultat dieser Analyse:
Das erste große Maximum bei knapp einem Winkelgrad entspricht den großen Dichtebereichen, bei denen die Zeit für die Dichteschwingung gerade ausreichte, um aus einer hohen eine niedrige Temperatur zu machen und umgekehrt. Das zweite Maximum bei etwa 0,3 Winkelgrad entspricht kleineren Dichtebereichen, bei denen die Zeit gerade ausreichte, um aus einer hohen Temperatur nach einer Schwingung wieder eine hohe Temperatur zu machen und umgekehrt. Analog geht es mit den anderen Maxima weiter rechts. Irgendwann werden die Dichtebereiche jedoch so klein, dass sie gar nicht mehr wirklich schwingen können, denn dafür brauchen die Wolken wegen der geringen Plasmadichte eine bestimmte Mindestgröße. Schließlich legt ein Teilchen im Plasma kurz vor der Bildung neutraler Atome etwa 10 000 Lichtjahre zurück, bevor es auf ein anderes Teilchen trifft. Plasmaschwingungen müssen daher wesentlich größere Ausdehnungen haben.
Da man weiß, wie schnell die großen heißen bzw. kalten Flecken in der kosmischen Hintergrundstrahlung ihre Temperatur umkehren konnten und dass sie dafür etwa 400 000 Jahre Zeit hatten, kann man zurückrechnen, wie groß sie gewesen sein müssen, um genau so zu schwingen. Zusätzlich weiß man noch, wie weit sie aus heutiger Sicht am Himmel entfernt sind. Damit kann man überprüfen, ob sie am Himmel auch so groß erscheinen, wie sie das nach den Regeln der euklidischen Geometrie sollten. Fände man hier Abweichungen, so wäre das ein Hinweis darauf, dass unser Universum in sich gekrümmt ist, analog zu einer Kugel- oder einer Satteloberfläche. Das wäre nach Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie durchaus möglich. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist aber, dass es mit relativ großer Genauigkeit keine solche Abweichung gibt, d.h. unser sichtbares Universum hat tatsächlich die euklidische Geometrie, wie sie unserer Anschauung eines dreidimensionalen Raumes entspricht. Man sagt auch: das sichtbare Universum ist flach! Nach dem Gravitationsgesetz von Einstein muss dann die mittlere Gesamtdichte im Universum heute gerade gleich der kritischen Dichte von etwa 10−29 g/cm3 sein.
Die inflationäre Expansion kann dieses Ergebnis zwanglos erklären: Wir sehen eben nur einen winzigen Teil des gesamten Universums, das sich gigantisch aufgebläht hat. So wie uns auch der kleine Teil der Erdoberfläche, den wir aus dem Fenster sehen können, flach erscheint, so erscheint uns auch der kleine Teil des Universums, den wir sehen können, flach (also euklidisch).
Man kann noch sehr viel mehr Informationen aus der kosmischen Hintergrundstrahlung und deren Ungleichmäßigkeiten ableiten. So kann man das zweite Maximum (also die Stärke der kleineren Temperaturflecken) mit dem ersten Maximum (also mit der Stärke der großen Temperaturflecken) vergleichen. Da die dunkle Materie anders als das schwingende Plasma nicht zurückschwingt, sondern sich weiter lokal verdichtet, verstärkt ihre Gravitation die gleichphasige Dichtebewegung des Plasmas bei den großen Flecken. Bei den kleineren Flecken bewegt sich das Plasma in der zweiten Schwingungsphase jedoch entgegengesetzt zur dunklen Materie, so dass diese Plasmaschwingung durch die Gravitation der sich weiter verdichtenden dunklen Materie abgeschwächt wird. Das Verhältnis der beiden Maxima erlaubt die Berechnung der Dichte der Protonen, Neutronen und Elektronen im Plasma. Weitere Details dazu kann man beispielsweise in den beiden unten angegebenen Artikeln aus Spektrum der Wissenschaft nachlesen.
Die kosmische Hintergrundstrahlung wird in den nächsten Jahren weiterhin Gegenstand immer genauerer Untersuchungen und Beobachtungen sein, insbesondere durch den Planck-Satelliten. Damit werden sich sicher weitere Informationen über unser Universum gewinnen lassen, denn viele physikalische Prozesse haben in der kosmischen Hintergrundstrahlung feine Spuren hinterlassen. Die nächsten Jahre werden also spannend bleiben, und wer weiß, welche Überaschungen uns noch erwarten.
Literatur zu dem Thema:
last modified on 03 March 2012