Zusammenfassung des Buchkapitels:
Sowohl in der Quantenmechanik als auch in der speziellen Relativitätstheorie werden zwei verschiedene, vorher nicht zusammenhängende Bereiche der Physik miteinander zu einem umfassenderen theoretischen Konzept verbunden: Wellen und Teilchen sowie Raum und Zeit.
In beiden Fällen entsteht dadurch eine Naturkonstante, die jeweils als Umrechnungsfaktor zwischen den beiden Bereichen dient: Das Plancksche Wirkungsquantum \(h\) und die Lichtgeschwindigkeit \(c\).
Man kann diese Naturkonstanten als natürliche Maßeinheiten verwenden. Wir können Längen statt in Metern generell in der Einheit \(h/(\mathrm{MeV}/c)\) angegeben, denn ein Impuls (gemessen in \(\mathrm{MeV}/c\)) legt ja quantenmechanisch eine Wellenlänge und damit eine räumliche Länge fest. Das Plancksche Wirkungsquantum fungiert dabei selbst als eine physikalische Maßeinheit, die nicht durch andere Maßeinheiten ausgedrückt werden muss und daher auch keinen krummen Zahlenwert mehr hat.
Analog hatten wir die Lichtgeschwindigkeit \(c\) bereits dazu verwendet, um aus Energieeinheiten wie MeV Masseneinheiten wie \(\mathrm{MeV}/c^{2}\) zu gewinnen (und \(c^{2}\) dann aus Bequemlichkeit sogar wegzulassen).
Ebenso kann man aus der Zeiteinheit Jahr die Längeneinheit Lichtjahr gewinnen. Diesen Weg geht man heute tatsächlich, um die Längeneinheit Meter zu definieren: 299 792 458 Meter sind eine Lichtsekunde, also die Strecke, die Licht im Vakuum in einer Sekunde zurücklegt. Die Lichtgeschwindigkeit hat also per Definition den exakten Wert von 299 792 458 Metern pro Sekunde, also eine Lichtsekunde pro Sekunde.
a) natürliche Maßeinheiten
b) SI-Einheitensystem und Naturkonstanten
In der theoretischen Teilchenphysik werden gerne natürliche Maßeinheiten verwendet. Man sagt auch, dass man \[ \hbar = c = 1 \] setzt. Die Formeln aus den vorhergehenden Kapiteln würden dann so aussehen: \[ g(u,u) = 1 \] \[ u = \begin{pmatrix} \gamma \\ \gamma \boldsymbol{v} \end{pmatrix} \] mit \( \gamma^{2} = 1 / (1 - v^{2}) \) \[ p = m u = \begin{pmatrix} E \\ \boldsymbol{p} \end{pmatrix} \] \[ g(p,p) = m^{2} \] \[ E^{2} = m^{2} + \boldsymbol{p}^{2} \] \[ p = k = \begin{pmatrix} 2\pi/T \\ 2\pi/\lambda \end{pmatrix} \] Das sieht doch recht übersichtlich aus. Übrigens hat nur die letzte Formel hat etwas mit Quantentheorie zu tun. Die anderen Formeln stammen aus der speziellen Relativitätstheorie.
Wie hat man diese Formeln zu lesen? Da \( c \)hier als natürliche Maßeinheit fungiert, werden zunächst alle Geschwindigkeiten \(v\) als Bruchteile von \(c\) angegeben, d.h. man müsste in \(\gamma\) beispielsweise \( v = 1/2 \) einsetzen, was halbe Lichtgeschwindigkeit bedeutet. Entsprechend sind \(v, \gamma\) und auch die Komponenten von \(u\) in den Formeln dimensionslose Zahlen.
Energien, Massen und Impulse können wir mit Hilfe von \(c\) ineinander umrechnen. Aber weder \( \hbar \) noch \(c\) liefern eine natürliche Maßeinheit für diese Größen. Erst mit der Hinzunahme der Gravitationskonstante \(G\) gelingt das (siehe Kapitel 7.2). Daher müssen wir hier noch eine künstliche Einheit vorgeben: wir nehmen die Energieeinheit MeV. In den Formeln werden also alle Energien, Massen und Impulse in MeV angegeben und können bei Bedarf mithilfe von \(c\) in andere Einheiten umgerechnet werden.
Nun zur letzten Formel, die aus der Quantentheorie stammt und die Teilchen- und Welleneigenschaften miteinander verknüpft. Längen würden wir demnach in 1/MeV angeben. Das geht, da in der Quantentheorie ein Teilchenimpuls ja eine Wellenlänge festlegt. Multiplikation mit \( \hbar c \) liefert dann die Umrechung in eine Längeneinheit.
Auch Zeiten würden wir in 1/MeV angeben, denn über die Lichtgeschwindigkeit legt eine Längeneinheit ja eine Zeiteinheit fest. Physikalisch hängt das mit der Zeit zusammen, in der eine Wellenlänge eines Lichtsstrahls mit bestimmter Photonenenergie einen Punkt passiert.
Natürlich hätte man statt von der Energieeinheit MeV auch von der Masseneinheit kg oder der Zeiteinheit Sekunde oder der Längeneinheit Meter ausgehen und daraus die anderen Einheiten ableiten können. Die Formeln oben bleiben dieselben. Immer muss man aber eine künstliche Einheit hineinstecken, solange die Gravitation außen vor bleibt (siehe Kapitel 7.2).
Im Buchkapitel sind wir der Idee begegnet, dass Naturkonstanten wie die Lichtgeschwindigkeit c und das Planck'sche Wirkungsquantum h selbst als natürliche Maßeinheiten dienen können. Nur eine einzige Maßeinheit muss noch hineingesteckt werden, beispielsweise die Energieeinheit MeV. Nimmt man die Gravitationskonstante G mit hinzu, so fällt sogar diese Notwendigkeit weg und es lassen sich alle fundamentalen physikalischen Größen in natürlichen Einheiten angeben, die durch die Naturkonstanten \(h, c\) und \(G\) definiert sind (die Planck-Einheiten, siehe auch Buchkapitel 7.2).
Die heute gängigen Maßeinheiten sind im sogenannten SI-Einheitensystem festgelegt. In diesem System gibt es sieben Basiseinheiten (siehe unten), von denen dann alle anderen Einheiten abgeleitet werden (so ist 1 N = 1 kg m/s2 und 1 J = 1 N m). Ideal wäre es, wenn man diese Basiseinheiten über Naturkonstanten definieren könnte, analog zu den Planck-Einheiten. Die Naturkonstanten wären dann wieder die eigentlichen Maßeinheiten und das SI-Einheitensystem würde sie lediglich in die gängigen SI-Einheiten übersetzen. Das ist tatsächlich seit dem Jahr 2019 weitgehend gelungen!
Die Sekunde wird über hochpräzise Atomuhren definiert, in denen man die Frequenz möglichst scharfer Spektrallinien von Atomen präzise misst und dadurch umgekehrt die Sekunde festlegt. Die Schwingung der Elektronen in der Atomhülle dient also als natürliche Uhr. Momentan verwendet man einen Übergang zwischen zwei Hyperfeinstrukturniveaus im Grundzustand von 133Cs -Atomen. Die Frequenz der entsprechenden elektromagnetischen Mikrowellenstrahlung definiert man zu \[ \Delta \nu_{\mathrm{Cs}} = 9 \, 192 \, 631 \, 770 \, \mathrm{Hertz} = \] \[ = = 9 \, 192 \, 631 \, 770 \, \frac{1}{\mathrm{Sekunde}} \] d.h. eine Sekunde ist als die 9 192 631 770 -fache Periodendauer dieser Strahlung definiert. Die Schwingung dieser Strahlung ist gleichsam das extrem schnelle Ticken der Uhr, die die Sekunde festlegt. Dabei lässt sich diese Schwingungsfrequenz auf 16 Dezimalstellen genau messen, d.h. die Sekunde ist entsprechend genau experimentell reproduzierbar und ist damit die präziseste Maßeinheit im SI-System.
In Zukunft wird man vielleicht Übergänge anderer Atome im sichtbaren Spektralbereich verwenden, die eine etwa 100 Mal höhere Frequenz haben, so dass die atomare Uhr entsprechend schneller tickt und die Sekunde entsprechend noch genauer definiert wäre. Mit solchen Uhren kann man mittlerweile sogar den relativistischen Gangunterschied von Uhren messen, die nur wenige Zentimeter Höhenunterschied im Gravitationsfeld der Erde aufweisen (siehe Zusatzinfos zu Kapitel 7.2).
Genau genommen ist die Sekunde nicht direkt auf der Basis von Naturkonstanten definiert, wohl aber auf einem natürlichen atomaren Quantenphänomen, das überall jederzeit reproduzierbar ist.
Der Meter wird über die Lichtgeschwindigkeit aus der Sekunde abgeleitet, indem man der Lichtgeschwindigkeit den Wert \[ c = 299 \, 792 \, 458 \, \frac{\mathrm{m}}{\mathrm{s}} \] zuordnet. Ein Meter ist dann die Länge der Strecke, die das Licht in 1 / 299 792 458 Sekunden zurücklegt. Damit lässt sich die Präzision der Zeiteinheit Sekunde weitgehend auf die Längeneinheit Meter übertragen.
Ein Kilogramm war bis 2019 definiert als die Masse des internationalen Kilogramm-Prototyps (Urkilogramm). Naturkonstanten spielten dabei keine Rolle.
Das hat sich geändert! Es ist gelungen, das Kilogramm (unter Verwendung der oben definierten Einheiten Meter und Sekunde) auf das Planck'sche Wirkungsquantum zurückzuführen, so dass dieses den exakten Wert von \[ h = 6.62607015 \cdot 10^{- 34} \, \mathrm{J} \, \mathrm{s} \] erhält (das Kilogramm steckt dabei in der Maßeinheit Joule, denn 1 J = 1 N m = 1 kg (m/s)2). Um das Kilogramm im Labor darzustellen, kann man beispielsweise eine sogenannte Watt-Waage verwenden, in der die Gewichtskraft des Objektes durch ein Magnetfeld kompensiert wird, dessen erzeugender Strom mithilfe von Quanteneffekten genau bestimmt wird (Stichworte Josephson-Kontakte und Quanten-Hall-Effekt).
Damit haben die Lichtgeschwindigkeit \(c\) und das Planck'sche Wirkungsquantum \(h\) beide fest definierte Werte, dienen also selber dazu, auf Basis der Maßeinheit Sekunde die Maßeinheiten Meter und Kilogramm festzulegen.
Ein Ampere war früher so definiert, dass zwischen zwei parallelen stromführenden Drähten mit 1 Meter Abstand eine magnetische Kraft von \(2 \cdot 10^{ 7} \) Newton pro Meter Drahtlänge wirkt. Diese Definition legte damit den Wert der magnetischen Feldkonstanten \(\mu_0\) fest, siehe auch Buchkapitel 1.4 und Zusatzinfos dazu.
Seit 2019 wird die Stromstärke über die Ladungseinheit Coulomb festgelegt (ein Ampere bedeutet, dass pro Sekunde ein Coulomb an Ladung fließt), wobei das Coulomb wiederum über die Elementarladung – also einer Naturkonstanten – festgelegt ist. Einer Elementarladung \(e\) gibt man den exakten Wert von \[ e = 1,602 \, 176 \, 634 \cdot 10^{- 19} \, \mathrm{Coulomb} \] d.h. \( \frac{10^{19}}{1,602 \, 176 \, 634}\) Elementarladungen ergeben genau ein Coulomb.
Für die Messung der Stromstärke muss man nun allerdings den Durchgang von einzelnen Elektronen pro Sekunde zählen, was nicht einfach ist. Die magnetische Feldkonstanten \(\mu_0\) hat jetzt keinen fest definierten Wert mehr, sondern ist eine zu messende Größe geworden.
Die Temperatureinheit Kelvin wurde bis 2019 über den Tripelpunkt von Wasser definiert.
Das hat man 2019 geändert, indem man stattdessen die Temperatur über die mittlere thermische Energie festlegt, die Teilchen bei dieser Temperatur haben. Diese Energie ist immer proportional zum Produkt \( k T \) zwischen der Boltzmann-Konstante \(k\) und der Temperatur \(T\). Bei \(T = 1\) Kelvin soll diese Energie dann exakt \[ k T = 1,380 \, 649 \cdot 10^{- 23} \, \mathrm{Joule} \] sein, d.h. die Boltzmann-Konstante (eine Naturkonstante) hat den exakten Wert von \[ k = 1,380 \, 649 \cdot 10^{- 23} \, \frac{\mathrm{J}}{\mathrm{K}} \] zugeordnet bekommen (das Joule basiert wiederum auf den Einheiten Kilogramm, Meter und Sekunde, siehe oben).
Diese Maßeinheit zählt letztlich Atome oder Moleküle.
Früher war das Mol als die Anzahl 12C-Kohlenstoffatome definiert, die zusammen 12 Gramm wiegen.
Seit dem Jahr 2019 hat man stattdessen einfach die Anzahl Teilchen in einem Mol konkret festgelegt, also der Avogadro-Konstanten \(N_A\) einen genauen Wert zuzuordnen, nämlich \[ N_A = 6,022 \, 140 \, 76 \cdot 10^{23} \, \mathrm{Teilchen} / \mathrm{Mol} \] Ein Mol enthält also genau \( 6,022 \, 140 \, 76 \cdot 10^{23} \) Teilchen.
Stärke einer monochromatischen Lichtstrahlung der Frequenz \( 540 \cdot 10^{12}\) Hertz (grünes Licht) und der Strahlleistung von 1/683 Watt pro Raumwinkeleinheit. Eine Haushaltskerze hat ungefähr eine Lichtstärke von einem Candela.
Wieso braucht man eigentlich sieben SI-Einheiten, wenn man doch mit drei Planck-Einheiten (analog zu den drei Naturkonstanten \(G, h, c\)) alle fundamentalen physikalischen Größen abdecken kann?
Betrachtet man die sieben SI-Einheiten, so findet man, dass sie nicht alle zu fundamentalen physikalischen Größen gehören, für die man separate Maßeinheiten definieren muss:
So ist die Candela keine fundamentale Einheit, da sie auf die Strahlungsleistung pro Raumwinkel zurückgeführt wird.
Das Mol ist letztlich nur eine bequeme Einheit für eine große (makroskopische) Teilchenzahl, analog beispielsweise zum Begriff Dutzend für 12.
Das Kelvin lässt sich auf die mittlere Teilchenenergie zurückführen.
Das Ampere kann über die elektrische Elementarladung definiert werden, die man mithilfe von \(h\) und \(c\) durch die dimensionslose elektrische Kopplungskonstante \( \alpha \approx 1/137 \) ausdrücken kann. Wir erinnern uns: Für die elektrische Ladung muss man nicht unbedingt eine eigene Maßeinheit definieren, denn man kann sie auch direkt über die elektrische Kraft festlegen (analog war das Ampere früher über die magnetische Kraft definiert).
Bleiben also die drei Einheiten Sekunde, Meter und Kilogramm, die man durch die Planck-Zeit, die Planck-Länge und die Planck-Masse ausdrücken könnte, oder gleichwertig durch \(h, c, G\). Insofern passt alles zusammen. Insbesondere wurde bereits seit einiger Zeit die Lichtgeschwindigkeit \(c\) verwendet, um die Längeneinheit Meter aus der Zeiteinheit Sekunde abzuleiten, und seit 2019 wird auch die Masseneinheit Kilogramm über das Planck'sche Wirkungsquantum \(h\) aus Sekunde und Meter abgeleitet. Insofern ist die Sekunde letztlich die SI-Einheit, auf der die anderen Einheiten aufbauen.
Allerdings spielt die Gravitationskonstante \(G\) bisher im SI-System keine Rolle. Die Zeiteinheit Sekunde wird nicht über die Gravitationskraft definiert, sondern bei ihr spielt die elektrische Kraft die entscheidende Rolle, da sie das schwingende Atom zusammenhält. Insofern gibt es aus Sicht einer fundamentalen Theorie hier gewisse Unterschiede, denn eine dimensionslose Zahl (die elektrische Kopplungskonstante α) spielt im SI-System noch eine wichtige Rolle, nicht aber bei den Planck-Einheiten.
Literatur:
© Jörg Resag, www.joerg-resag.de
last modified on 03 January 2024